Patentierung computerimplementierter Simulationen bei dem EPA

Die Patentierbarkeit softwarebezogener Erfindungen wurde kürzlich zu einem der meistdiskutierten Themen für Patente in Europa. Die jüngste Grundsatzentscheidung G1/19 der höchsten juristischen Instanz am Europäischen Patentamt (EPA), der Großen Beschwerdekammer, sollte Licht ins Dunkel bringen, ob computer-implementierte Simulationen patentiert werden können. Lesen Sie unsere Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse aus G1/19, um sich über den neuesten Stand der Software- (Computer-Simulations-) Patente in Europa zu informieren.

In der Entscheidung G1/19 wurde der derzeitige Ansatz (Comvik-Ansatz), den das Europäische Patentamt (EPA) bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit computerimplementierter Erfindungen anwendet, erneut bestätigt. Der Comvik-Ansatz ist nun bestätigt, dass er auch auf computerimplementierte Simulationen anwendbar ist.

Es ist ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, dass computerimplementierte Erfindungen (CIE) zwei Hürden überwinden müssen, um patentierbar zu sein. Die Erfindung muss als erste Hürde eine Eignungsprüfung nach Art. 52 EPÜ nehmen, der Gegenstand der Anmeldung darf hierbei nicht unter die in Art. 52(2) EPÜ genannten „Nichterfindungen“ fallen. Weiterhin muss die Erfindung auch die zweite Hürde des Artikels 52 (1) EPÜ, insbesondere hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit, nehmen. Wie aus Abb. 1 ersichtlich, ist die Messlatte für das Bestehen der ersten Hürde recht niedrig. Diese Hürde kann einfach überwunden werden, indem man einen Bezug auf einen Computer herstellt, z. B. indem man eine Methode als „computerimplementierte Methode“ beansprucht, so dass der Ausschluss nach Artikel 52 (2) EPÜ nicht mehr zum Tragen kommt. Das Überwinden der zweiten Hürde in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit ist jedoch in der Regel schwieriger. Grundsätze für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von CIE und somit für das Überwinden der zweiten Hürde der in Abb. 1 wurden in der Entscheidung T 641/00 aufgestellt, die oft als „Comvik-Ansatz“ bezeichnet wird.

Wie in Abb. 1 dargestellt, werden nach dem Comvik-Ansatz bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit einer gemischten Erfindung, die sowohl technische als auch nichttechnische Merkmale umfasst, alle Merkmale berücksichtigt, die zum technischen Charakter der Erfindung beitragen. Dazu gehören auch die Merkmale, die für sich genommen nicht technisch sind, aber im Zusammenhang mit der Erfindung dazu beitragen, eine technische Wirkung zu erzielen, die einem technischen Zweck dient, und damit zum technischen Charakter der Erfindung beitragen. Merkmale, die nicht zum technischen Charakter der Erfindung beitragen, können das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen. Eine solche Situation kann z. B. entstehen, wenn ein Merkmal nur zur Lösung eines nichttechnischen Problems beiträgt, z. B. eines Problems auf einem von der Patentierbarkeit ausgeschlossenen Gebiet.

Die Abb. 2 zeigt eine vereinfachte Form, wie und wann ein „technischer Effekt“ oder „technische Wechselwirkungen“ im Rahmen eines computerimplementierten Prozesses auftreten können. In der Praxis kann der technische Input in einer Messung und der technische Output in einem Steuersignal bestehen, das zur Steuerung einer Maschine verwendet wird. Sowohl der technische Input als auch der Output werden typischerweise durch direkte Verbindungen mit der physikalischen Realität erreicht. Auch Anpassungen am Computer oder seiner Bedienung können zu technischen Effekten führen und damit zu der erfinderischen Tätigkeit beitragen. Schwierig wird es jedoch, wenn es sich um eine computerimplementierte Simulation handelt, da die Absicht einer Simulation darin besteht, sich von der physischen Realität zu lösen. In den meisten Fällen gibt es bei einem Simulationsprozess überhaupt keine physische Realität, außer dem Computer. Daher ist der Spielraum für Argumente der Anmelder für die vorbezeichneten Erfindungen sehr begrenzt.

Eine erste Möglichkeit besteht darin, zu argumentieren, dass die Simulation besonders an den Computer oder seine Funktionsweise angepasst ist (z. B. durch spezifische Anpassungen des Computers oder der Datenübertragungs- oder Speichermechanismen). Technische Verbesserungen der Simulationen als solche könnten auch durch besondere Details der implementierenden Software erreicht werden. Das bloße Auffinden eines geeigneten Simulationsalgorithmus reicht nicht aus, die Gestaltung des Algorithmus muss durch technische Überlegungen zur internen Funktionsweise des Computers motiviert sein. Will sich der Anmelder jedoch auf eine technische Verbesserung aufgrund von Implementierungsdetails berufen, so müssten diese Implementierungsdetails in der Patentanmeldung in geeignetem Umfang offenbart werden und sollten als einschränkende Merkmale in den einschlägigen Patentansprüchen erscheinen. Da Computersimulationen oft so gestaltet sind, dass sie auf einer Vielzahl verschiedener Computersysteme ausgeführt werden können, ist die erste Argumentationsmöglichkeit oft schwierig, da häufig nicht gezeigt werden kann, dass die Software die spezielle interne Funktionsweise des Computers berücksichtigt.

Eine zweite Möglichkeit besteht darin, zu argumentieren, dass die Ausgabe der computerimplementierten Simulation eine potentielle technische Wirkung hat. Wie die Große Beschwerdekammer in Ihrer Entscheidung G1/19 klargestellt hat, ist eine direkte Verbindung mit der physischen Realität keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Technizität. Es reicht vielmehr aus, dass eine computerimplementierte Erfindung das Potential hat, eine technische Wirkung zu erzielen. In der Praxis ist jedoch möglicherweise nicht ersichtlich, was als „ein hinreichend definierter technischer Zweck“ im Sinne der Entscheidung T 1227/05 angesehen werden soll. Die vorgenannte T-Entscheidung, die von den Patentpraktikern häufig zitiert wird, wird wahrscheinlich in Zukunft an Relevanz verlieren, da die Große Beschwerdekammer darauf hingewiesen hat, dass diese Entscheidung auf spezifischen Umständen beruhte und nicht allgemein gelten soll. Es muss aus dem Anspruchswortlaut klar hervorgehen, dass die Ausgabe der Simulation ausschließlich für die beabsichtigte technische Verwendung angepasst ist. Wie bereits erwähnt, könnte es sehr schwierig sein, eine mögliche nicht-technische Verwendung auszuschließen. Ein Beispiel könnte eine Indexdatei als Ausgabe sein. Die resultierende Indexdatei wird als technisches Mittel betrachtet, da sie die Art und Weise bestimmt, wie der Computer nach Informationen sucht, und diese Suche ist eine technische Aufgabe.

Wie die Große Beschwerdekammer in G1/19 klargestellt hat, ist die Technizität der computerimplementierten Simulation nicht relevant dafür, ob das simulierte System oder Verfahren technisch ist. Selbst wenn das simulierte System oder der simulierte Prozess technisch ist, muss es/er vor der Simulation zunächst in Modelle und Algorithmen (d. h. nichttechnische Informationen) übersetzt werden. Je nachdem, ob sie zu einem durch die beanspruchte Simulationserfindung erzielten technischen Effekt beitragen, können sie bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden oder nicht. Kurz gesagt: Die Anmelder sollten sich bei der Argumentation und der Abfassung der Patentschrift im Wesentlichen auf die beiden vorgenannten Wege konzentrieren. Die bloße Verbesserung des Modells (d.h. die Berechnung des Verhaltens eines technischen Systems, wie es auf dem Computer existiert) wird als nicht-technisch betrachtet werden. Es muss also etwas mehr sein als das.

Die Große Beschwerdekammer hat in G1/19 leider keine erschöpfende Liste von Kriterien für die Beurteilung der Frage vorgelegt, ob ein computerimplementiertes Verfahren ein technisches Problem löst, indem es eine technische Wirkung erzeugt, die über die Implementierung des Verfahrens auf einem Computer hinausgeht. Daher ist theoretisch immer noch nichts unmöglich. Allerdings ist eine weitergehende technische Wirkung immer noch stark vom „technischen Kontext“ der Erfindung abhängig. Daher wird dieser Aspekt das Hauptproblem in der europäischen Patentpraxis bleiben, nämlich den Prüfer davon zu überzeugen, dass das durch die Erfindung gelöste Problem technisch ist.

Die gleichen Überlegungen gelten auch für eine computerimplementierte Simulation, die als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird. Die Kammer stellte fest, dass ein Entwurfsverfahren normalerweise eine kognitive Übung ist. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es innerhalb eines Entwurfsverfahrens Schritte geben kann, die Simulationen beinhalten, die zum technischen Charakter der Erfindung beitragen. Daher führt die bloße zusätzliche Beanspruchung eines kognitiven Entwurfsschritts nicht dazu, dass die Simulation zur Technizität beiträgt.

Fazit:

Im Allgemeinen hält das EPA die Tür für alle computerimplementierten Simulationen im Lichte von G1/19 offen. Allerdings wird das EPA wahrscheinlich weiterhin seinen relativ strengen Ansatz bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anwenden, wie die Praxis bei anderen computerimplementierten Erfindungen bestätigt. Bei der Ausarbeitung der Patentanmeldung müssen die Anmelder und die Patentanwälte nach wie vor zusätzlichen Aufwand betreiben, um entweder detailliert zu beschreiben, wie sich der Simulationsalgorithmus auf die interne Funktionsweise des Computers auswirkt, oder um sicherzustellen, dass die tatsächliche Ausgabe der Simulation eine potenzielle technische Wirkung hat, oder um beides zu tun.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus G1/19:

  • Eine rechnergestützte Simulation wird ähnlich wie andere rechnergestützte Methoden behandelt, der Ansatz von Comvik (T641/00) wurde erneut bestätigt.
  • Die Technizität des simulierten Systems oder Modells hat nicht notwendigerweise Auswirkungen auf die Patentierbarkeit der Simulationsmethode.
  • Ein direkter Bezug zur (äußeren) physikalischen Realität, wie er in T 0489/14 gefordert wird, ist keine Voraussetzung oder notwendige Bedingung zur Begründung der Technizität.
  • Die Entscheidung T 1227/05, welche in der aktuellen Fassung der Leitlinien zitiert ist, verliert möglicherweise in Zukunft Ihre Relevanz.
  • Eine computerimplementierte Simulation, die als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird, ist wie normale computerimplementierte Erfindungen zu bewerten.

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